Vor kürzerem ist im Trias-Verlag das Buch „Der bipolare Spagat. Manisch-depressive Menschen verstehen“ von Donna Reynolds erschienen.
Donna Reynolds ist selbst betroffen von einer bipolaren Erkrankung. In diesem Buch erklärt sie, wie sich diese Erkrankung anfühlt, wie sie aussieht, was sie mit dem Leben des Betroffenen anstellt. Vor allem möchte Donna Reynolds Angehörigen und Freunden Tipps geben, wie sie einem kranken Menschen helfen können. Von diesen Tipps finden sich in diesem Buch sehr viele und sie sind durchweg gut – sie könnten auch von vielen anderen psychisch kranken Menschen als Wünsche an ihre Liebsten unterschrieben werden.
Der Gedanke, der mir allerdings bei der Lektüre des Buchs kam, ist, dass es sich nicht nur um Wünsche, sondern um Idealvorstellungen insbesondere von einem Partner eines bipolaren Menschen handelt. Ein Problem, das alle psychisch kranken Menschen haben unabhängig von der Diagnose, ist, andere Menschen zu finden, die zu ihnen halten und sie unterstützen trotz dieser Erkrankung. Und ich kenne viele kranke Menschen, die nur noch unter professionellen Betreuern „vertraute Menschen“ haben.
Warum ist das eigentlich so ein großes Problem: soziale Unterstützung durch Freunde, Familie und Partner zu finden? Ich glaube, es hat damit zu tun, dass wir normalerweise denken, dass wir für unser Handeln, für unsere Gefühlsausbrüche, für unsere Gedankenwelten selbst verantwortlich sind. Psychische Erkrankungen sind aber Umstände, in denen wir zeitweise keine wirkliche Kontrolle über unsere Gefühle, unsere Gedanken und unser Handeln haben. Wie Donna Reynolds immer wieder sagt: es handelt sich um Erkrankungen des Gehirns und diese Erkrankung kann zeitweise unsere Gefühle, unsere Gedanken und unser Handeln steuern.
Trotzdem denken wir zumeist, dass die Betroffenen sich anders verhalten sollten. So ziemlich ein jeder, der eine schwerwiegende psychische Erkrankung hat, wird sich gelegentlich so verhalten, als sei er faul, kriminell, ehebrecherisch, störend, asozial … und so weiter. Ich glaube, dass die Geschichte des Umgangs mit psychisch kranken Menschen deshalb so erschreckend ist, weil wir erst spät und auch immer noch nicht alle gelernt haben, dass psychisch kranke Menschen zwar asozial scheinen mögen, aber sie sind nicht asozial aufgrund einer bewussten Entscheidung oder eines ihnen zurechenbaren Fehlverhaltens. Etwas in ihrem Kopf spielt verrückt, so dass sie dann verrückt spielen.
Vielleicht wird man eines Tages wissen, wie unser Verhalten entsteht, wieso der eine sich gut verhält, der andere dagegen auf Kritik stößt. Vielleicht werden wir dann auch wissen, welche Störungen in unserem Gehirn uns kritikwürdig verhalten lassen, wie das genau funktioniert. Bis zu diesem Zeitpunkt können die Betroffenen, so wie Donna Reynolds, nur immer wieder um Verständnis werben.
Wenn ich gesund bin, wenn ich stabil bin, wie die Mediziner sagen, dann kann ich versuchen, mein Verhalten zu lenken. Aber auch dann ist das alles nicht einfach. Wenn ich aber krank bin, steuert die Krankheit mein Verhalten. Häufig bekommt der Betroffene das selbst gar nicht richtig mit. Und häufig ist es schwierig, Behandlung zu akzeptieren und wirkliche Hilfe zu finden.
Jedenfalls höre ich aus Donna Reynolds Buch diesen Wunsch heraus: dass es Menschen geben möge, vielleicht für jeden psychisch kranken Menschen, die den Weg mitgehen, auch wenn er schwierig ist. Denn die bezahlten professionellen Betreuer sind kein Ersatz für gute Freunde, einen Partner, eine Familie.
Ein gutes Buch für alle, die lernen wollen, für einen manisch-depressiven Menschen da zu sein.