Jeder, der irgendwo aufgrund einer psychischen Erkrankung Patient oder Betreuter wurde, kennt das: Das Personal schreibt und schreibt, jede Lebensregung wird erfasst, alles für die Ewigkeit festgehalten und an diverse staatliche Stellen weitergeleitet. Spätestens wenn das JobCenter noch gerne Gutachten aus der Klinik einsehen würde oder ein gesetzlicher Betreuer um Zustimmung zu einem Arbeitsvertrag gefragt werden soll, wird klar, dass psychisch kranke Menschen durch dieses ganze Papier, das über sie beschrieben wird, wie unter einer Zentnerlast begraben liegen.
Dass in diesem ganzen Papierwust vieles fehlerhaft, unvollständig, verzerrt durch eine Akutsituation oder auch einfach nicht wohlwollend geschrieben wird, wird dabei nie berücksichtigt. Was auf dem Papier steht, geschrieben von gesunden Fachkräften, ist immer aussagekräftiger, wenn es um Lebenschancen geht, als alles, was der Betroffene selbst, noch so aufrichtig sagt.
Die gesunden Fachkräfte schreiben oft selbst nicht gerne. Aber sie müssen, damit die Kostenträger zahlen. Sie haben dazu wenig Zeit, sind oft auch nicht besonders begabt für diese Art von Arbeit. Und schon werden auf dem Papier privateste Details an verschiedene Stellen ausgeplaudert. Ein psychisch kranker Mensch muss sich damit abfinden, dass er entweder nicht gut behandelt wird, wenn er nichts Persönliches über sich sagt, oder dass er gar kein Privatleben mehr hat.
Und so weiß dann die Krankenkasse, das Amtsgericht, der Sozialpsychiatrische Dienst, das Sozialamt, das Krankenhaus, der psychosoziale Träger genau Bescheid über die letzte Beziehung, den letzten Job, die Kontakte mit Freunden und Bekannten, körperliche Beschwerden, Wahnideen usw. Wenn man bedenkt, wie wenig diese Einrichtungen oft helfen können, ist es erschreckend, wie viel sie dennoch über die Betroffenen wissen.
Einerseits ist psychiatrisches Arbeiten ohne eine vertrauensvolle Beziehung mit dem kranken Menschen nicht möglich. Andererseits wird dieses Vertrauen systematisch missbraucht, indem die Details, die der gesunden Fachkraft anvertraut wurden, an alle möglichen Stellen weitergeleitet werden. Was man einem Psychologen sagt, bleibt eben nicht bei ihm. Sondern wird zu Papier gebracht und an die Kostenträger und andere Stellen weitergeleitet.
Ich habe keine Lösung für dieses Problem. Es könnte höchstens etwas gelindert werden, indem ein jeder, der etwas über einen kranken Menschen schreibt, sich von Wohlwollen und Respekt vor dessen Privatsphäre leiten lässt. Aber auch dann: Wir arbeiten alle in Teams zusammen und stehen unter Druck, im Team richtige Entscheidungen zu treffen.
Bis auf weiteres also ist der Beginn einer psychischen Erkrankung das Ende des Privatlebens. Oder haben Sie eine Lösung für dieses Problem?
Meiner Erfahrung nach stehen vor allen Dingen ziemlich viele Missverständnisse in solchen Papieren.
Manche Professionelle scheinen auch ziemlich gut zu sein, alles was man über sich sagt, auf die nur irgendwie negativstmögliche Art und Weise zu interpretieren (Rückschlüsse und Interpretationen auf die ich oft nie gekommen wäre), und wenn man Pech hat wird einem das dann noch jahrelang aus der Schublade gezogen, und bildet die Entscheidung für eine erneute Zwangseinweisung.
Oder man bekommt was verweigert, was man gerne möchte, laut diesem und jenem Psychologen ist man ja unfähig dazu.