Man sagt, der Wechsel in ein neues Jahr habe etwas Veränderndes in sich – eine neue Chance. Man könne etwas Neues beginnen. Das Alte hinter sich lassen – neue Pläne verwirklichen. Das hört sich gut an. Und immer wieder habe ich als Christ das bekannte Neujahrslied „Von guten Mächten wunderbar geborgen“ vor mir. Hoffnung ist in mir, dass mich eine Kraft, die es unendlich gut mit mir meint, auch im neuen Jahr beschützen wird.
Allen Menschen, ob gesund oder krank, werden diese Gedanken am Anfang eines neuen Jahres in den Sinn kommen. Das ist die Urfrage des Menschen. Wir alle sind betroffen und gefangen in diesem Sinne.
Ich selbst schreibe mich seit vielen Jahren mit einer schizo-affektiven Erkrankung gesund. Etwas mehr als die sogenannten Gesunden bin ich betroffen von der unmittelbaren Frage, die meine Existenz bestimmt: Wie wird es weitergehen und wo wird mich in diesem neuen Jahr mein Weg hinführen? Werde ich gesund bleiben, werde ich dem Stress meiner anstrengenden Arbeit standhalten können? Werde ich an jedem Tag stark genug sein, um alle meine Pflichten zu erfüllen? Gerade bei einer solchen chronischen psychischen Erkrankung ist diese Gratwanderung eine große Frage und Anspannung.
Ich denke an unsere Leistungsgesellschaft, die uns psychisch Erkrankte herausfordert. Heute, am Weihnachtsfest sehe ich meine Mitleidenden neben mir. Können wir Eingeschränkten in diesem Ritt der Leistung und des Konsums und der Konkurrenz auch mit den sogenannten Gesunden mithalten? Wir sind vor allem auf uns und unsere gesundheitlichen Schwierigkeiten fixiert und müssen dann noch der Geschwindigkeit des Karussells der Gesellschaft standhalten.
Seit 20 Jahren geht diese schizo-affektive Erkrankung mit mir mit. Ich habe sie gut im Griff. Eigentlich führe ich ein normales Leben mit Familie und einer Vollzeitarbeit. Nebenher und oft dominierend schreibe ich Bücher und Theaterstücke und halte Lesungen daraus und möchte damit autobiographisch anderen Betroffenen Mut machen und endlich das Stigma von diesen Erkrankungen nehmen.
Vor allem jetzt um die Zeit des Jahreswechsels ergreifen mich Gedanken der Hoffnung auf ein gutes Leben auch für uns psychisch Erkrankte. Für mich stehen schon am Anfang des neuen Jahres neue Lesungen an. In einer psychiatrischen Klinik und bei einer Bahnhofsmission in Schwerin im März und bei einem Seminartag der Universität Jena im April. Bei meiner Arbeit als Konstrukteur für Baustatik stehen neue Projekte und Herausforderungen an. Mein Sohn ist gerade in der 1. Klasse und das ist eine spannende Zeit auch für die Eltern.
„Von guten Mächten“ – ich bin der Überzeugung, dass wir in allen unseren Wegen geborgen sind. In allen Wegen ist eine Kraft, die uns hilft – „… und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne…“. Alles hat einen Sinn.
Auf ein Neues! Gehen wir mit neuen Plänen und guten Gedanken kraftvoll in ein neues, gesundes Jahr!