Der Paranus Verlag hat eine Neuauflage des Buchs „Mein Leben in zwei Welten. Innenansichten einer Schizophrenie“ von Roman Preist herausgebracht.
Der unter einem Pseudonym schreibende Autor ist promovierter Biophysiker, der im Alter von 30 Jahren mit Schizophrenie diagnostiziert wird. In diesem Buch beschreibt er die verborgene, innere Welt der Schizophrenie mit ihren Ängsten, wilden Assoziationen und komischen Wahnideen. Der Titel ist so zu verstehen, dass der Mensch mit Schizophrenie in zwei Welten leben muss: zum einen der äußeren, alltäglichen Welt von Beruf und Familie, Freunden und diversen Verpflichtungen; zum anderen die innere, schizophrene Welt mit ihren Ängsten und merkwürdigen Ideen.
Das Buch ist, glaube ich, sehr nützlich für alle Menschen, die sich beispielhaft darüber informieren wollen, wie schizophrenes Denken und Empfinden sowie Handeln aussehen kann. Es ist auch sehr nützlich für die vielen Betroffenen, die mit Schizophrenie diagnostiziert worden sind, aber Zweifel daran haben, ob diese Diagnose wirklich stimmt. Viele der beschriebenen Gedankenwelten und Gefühlslagen werden andere Betroffene wiedererkennen. In diesem Wiedererkennen können Betroffene lernen, die Diagnose nachzuvollziehen. Denn auch wenn die Details einer Psychose sehr individuell sind, bestimmte Ängste und Gedankenflüge haben große Ähnlichkeit zwischen den verschiedenen erkrankten Menschen.
Vor allem ist dies ein ehrliches Buch. Es schreckt nicht davor zurück, auch schwierige Seiten der eigenen Persönlichkeit, der eigenen Biographie offenzulegen. Den Weg – mit den Etappen plötzliche Erkrankung; Schwierigkeiten, sich mit den Medikamenten anzufreunden; der schwierige berufliche Weg; Täler der Verwahrlosung und Einsamkeit – werden viele Betroffene wiedererkennen. Und doch endet diese Geschichte gut: Normalität ist auch mit dieser Erkrankung möglich. Es ist möglich, eine passende Nische in der Berufswelt zu finden. Es ist möglich, privat sein Leben mit dem anderer Menschen zu verknüpfen. Es ist möglich, Hilfe in einer gewissen Behandlung zu finden und trotzdem sehr normal zu leben.
Ein Detail möchte ich noch diskutieren. Der Autor beschreibt, wie er im Krankenhaus dem Behandlungsteam etwas vorspielt, die vorhandenen Symptome verschweigt, seine Situation beschönigt, um möglichst schnell entlassen zu werden. Meiner Erfahrung nach machen das sehr viele Menschen mit Schizophrenie. Und zugleich ist das ungeheuer traurig, dass die Betroffenen und die Ärzte nicht einfach offen miteinander reden können. Das liegt nicht nur an den Betroffenen, sondern auch daran, dass viele Ärzte einen sehr pathologischen Blick auf die Patienten haben, also nur das sehen, was krankhaft ist. Wenn die Teams in den Krankenhäusern ihre Einstellung ändern würden, wenn es nicht hauptsächlich darum ginge, die Symptome zum Verschwinden zu bringen, sondern die Menschen fit zu machen für ihren Alltag, der oft von leichten Symptomen geprägt ist, dann wären vielleicht mehr Betroffene bereit, offen und ehrlich zu erzählen. Und sie würden erzählen, was in ihnen vorgeht, was sie sich wünschen und wie das Behandlungsteam dabei helfen könnte. Leider meinen viele Ärzte, dass sie sowieso genau wissen, wie man den Betroffenen helfen kann – und ignorieren deren Lebensentwürfe, ihre Träume, ihre Ideen. Offenheit der Betroffenen kann nur entstehen, wenn diese Offenheit nicht bestraft wird und wenn das Team selbst ebenfalls offen ist und bereit, auf das Gehörte einzugehen. Und das Ziel der Behandlung sollte nie einseitig mit pathologischem Blick bestimmt werden. Stattdessen sollte diese Ziel sein, den kranken Menschen fit und stark zu machen für ein normales Leben.
Ein spannendes und offenes Buch, das sich leicht liest und nicht enttäuscht.